Ein Daheim hat viele Facetten: vertraute Menschen, die vier Wände mit den Möbeln, liebgewonnenen Erinnerungsstücken, die gewohnte Umgebung, der altbekannte Spazierweg… Doch auf dem letzten Lebensabschnitt müssen Menschen oft schrittweise Abschied nehmen von ihrer vertrauten Umgebung, um in einer betreuten Wohnsituation ein neues und oft letztes Daheim zu finden. Wie erleben die Bewohnerinnen und Bewohner der Pflege Eulachtal diesen Schritt? Und wie helfen die Fachkräfte in den fünf Häusern der Pflege Eulachtal den Menschen, sich in ihrem neuen Umfeld zurechtzufinden, sich wieder aufgehoben, sicher und daheim zu fühlen?
Leben im Mittelpunkt
In allen fünf Häusern der Pflege Eulachtal steht der Mensch im Mittelpunkt. Das möglichst normale Alltagsleben sowie die emotionalen Bedürfnisse der pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen stehen im Zentrum des Denkens und Handelns. Denn das Daheimgefühl könne eben nicht nur an der Architektur, der Wohnhülle, festgemacht werden, sagt Jürgen Spies, Co-Leiter des Zentrums Sonne. «Sondern wo der Mensch sich mit seinen Bedürfnissen, seinen Wünschen und Gefühlen verstanden fühlt, wo er nicht in erster Linie als kranker Mensch und auch nicht als Hotelgast behandelt wird, da ist er daheim.» Auch im neuen Daheim müsse ein Mensch ein Lebensmotiv und einen Lebenssinn haben, um ein Gefühl von Sicherheit und einem Daheimsein entwickeln zu können. Denn der Eintritt in eine Institution sei oft mit sehr vielen Emotionen und grosser Verunsicherung verbunden – sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für ihre Angehörigen, stellt Susan Böhmler fest, Leiterin des Lichtblicks in Elgg. «Was es nach einem Eintritt deshalb am meisten braucht, ist Zeit. Sich neu zu orientieren und auszurichten benötigt eine Weile. Je schneller der Beziehungsaufbau stattfindet, desto einfacher.»
Schnell wieder ein Daheimgefühl
Dass es für die meisten Menschen schwierig ist, das gewohnte Daheim zu verlassen, stellt auch Judith Scheiwiller fest, Co-Leiterin des Zentrums Sonne in Elsau. Doch das Team der Sonne tue alles in seinen Kräften stehende, um den Bewohnerinnen und Bewohnern möglichst schnell wieder ein Daheimgefühl zu ermöglichen. Wie in allen fünf Häusern der Pflege Eulachtal können die Menschen auch im Zentrum Sonne ihre Zimmer mit ihren eigenen Möbeln ausstaffieren, Bilder aufhängen, Erinnerungsstücke mitnehmen – und so ein kleines Stück Zuhause ins neue Daheim transferieren. Doch da sich ein Daheim eben nicht nur am Äusseren festmachen lässt, sondern immer auch mit Ritualen, Gewohn- und Gepflogenheiten verbunden ist, sollen diese – falls gewünscht – auch in der Pflege Eulachtal weiterhin gepflegt werden können. So bügelt etwa Bewohnerin Maria Renggli (89) stets die Wäsche, andere helfen in der Küche beim Gemüseund Salatrüsten mit, jemand schaut nach den Pflanzen… «Die Menschen fühlen sich durch diese vertrauten Arbeiten gebraucht, geschätzt und wertvoll», sagt Judith Scheiwiller. Ganz neu angekommen im neuen Daheim ist zum Beispiel Klara Steiner (95). Sie teilt sich in der Sonne ein Zimmer mit Maria Renggli. Die ehemalige Inhaberin eines Coiffeure-Salons in Elgg sagt von sich selbst, sie sei nach einem Spitalaufenthalt mit einem schwierigen operativen Eingriff «dem Teufel gerade nochmals vom Karren gesprungen.» In die neue Situation schickt sie sich noch rein. Was sie vor allem freut: «In der Sonne sind alle lieb und nett zu mir, inklusive Chef und Chefin!»
Gemeinsam im Staub Kaiser Haus
Das spanische Ehepaar Maria Rosa (84) und Jordi Navarro (82) lebt seit zweieinhalb Jahren im Staub Kaiser Haus in Rümikon – in zwei getrennten Zimmern, so, wie sie es seit eh und je gewohnt sind – vor allem des Schnarchens Jordi Navarros wegen. Von ihren vier Kindern arbeitet die eine Tochter, Susanna Navarro, sogar im Hausdienst des Staub/Kaiser-Hauses und kann ihre Eltern deshalb regelmässig sehen, ein idealer Zustand für alle drei. Das seit 60 Jahren verheiratete spanische Ehepaar Navarro geniesst es, im Staub Kaiser Haus zusammen sein zu können. Auch die Gesellschaft ihres Landsmannes sowie ihrer italienischen Mitbewohnerinnen und –bewohner schätzen sie, da sie schon früher oft mit Italienern zusammen gewesen seien. Doch während Maria Rosa Navarro die spanische Küche manchmal vermisst, hat Jordi Navarro sich gut eingelebt: «Mir gefällt es gut.» Vor allem geniesst er es, mit seiner Frau zusammen zu sein. «Die beiden könnten gar nicht ohne einander sein», fügt Tochter Susanna Navarro augenzwinkernd hinzu.
Viele gewohnte Gesicher
Irma Frischknecht (89) lebt seit Mitte März im Pflegezentrum in Elgg. Sie hat eine wahre Odysee an Spital- und Erholungsaufenthalten hinter sich. Schlussendlich fehlte ihr die Kraft, um zu Hause wieder alleine zurechtzukommen, weshalb sie, die über 50 Jahre in Räterschen gelebt hatte, sich entschied, ins Pflegezentrum nach Elgg zu ziehen. «Hier bin ich in guten Händen und muss keine Angst mehr haben, falls ich wieder umfallen sollte.» An ihrer Wand hängen Fotos von einstigen Safaris in Kenia und von der Familie. Irma Frischknecht ist stolze Urgrossmutter von vier gesunden Urgrosskindern. Im Pflegezentrum gefällt es ihr gut. «Alle sind lieb und gut zu mir, mitsamt der Direktorin Maria Hofer», sagt sie. Sie schätze auch das reichhaltige und gute Essen. Doch das Schönste sei, dass sie hier viele gewohnte Gesichter wieder antreffe: Rümiker, Räterscher, Schottiker… «Selbst wenn ich gerade keinen Familienbesuch habe, bin ich immer in guter Gesellschaft.» Zumal sich Irma Frischknecht das Zimmer teilt mit einer dementen Zimmernachbarin. Die beiden Frauen haben es gut und oft lustig miteinander. «Sie bringt mich immer wieder zum Lachen», sagt Irma Frischknecht schmunzelnd.
Sprache ist kein Hindernis
Ebenfalls zu zweit im Zimmer leben die beiden Damen Anna Maria Codemo (86) und Margareta Keller (85) im Zentrum Wiesental in Wiesendangen. Das Zimmer ist eine Art Rückzugsinsel für die beiden dementen Frauen. Wenn es ihnen im Gemeinschaftsraum bei der Küche vorne zu laut ist, ziehen sie sich zurück aufs grosse Zimmer, wo sie auch stets miteinander essen. Und obschon Anna Maria Codemo italienisch und kein Deutsch spricht, verständigen sich die beiden Kaffeeliebhaberinnen mit Händen und Füssen. «Unsere Mutter fühlt sich wohl hier», sagt Sohn Gianni Codemo (65) der in der Nachbarschaft lebt und seine Mutter regelmässig besucht. Er schätzt den liebevollen, wertschätzenden Umgang untereinander im Zentrum Wiesental. «Schon am Eintrittstag ist meine Mutter so herzlich empfangen worden. Ein grosses Kompliment ans ganze Team!» Glücklich mit der Situation ist auch Zentrumsleiter Pascal Frei. Die beiden Frauen würden sich bestens ergänzen: «Und wenn sie zusammen einen Kaffee trinken, ist die Welt wieder in Ordnung.» Die beiden Frauen scheinen ihr neues Daheim gefunden zu haben. Nur Positives hat auch Pflegefachfrau Monika Walker (59) zu berichten, die neu zum Team dazu gestossen ist: «In der Pflege Eulachtal wird wirklich gelebt, was man verspricht. Noch nirgends zuvor hab ich erlebt, dass in einer Institution so nahe wie daheim gelebt werden kann.»